Wer auf der Schwäbischen Bäderstrasse wandelt, landet irgendwann bei Kräuterpfarrer Sebastian Kneipp - und bekommt nicht nur nasse Füsse.
Wasser, Wasser und nochmals Wasser. Davon kann die Schwäbische Bäderstrasse von Überlingen am Bodensee bis nach Bad Wörishofen im Allgäu weiss Gott genügend bieten, mit all ihren Thermen, Naturweihern und Moorgebieten. Zu Ehren verhalf dem Wasser der Kräuterpfarrer Sebastian Kneipp. «Er ist immer noch ein Star», sagt die Kräuterfrau Rita Dopfer aus Bad Grönenbach. Hier hat der spätere Pfarrer seine Jugend und Lehrjahre verbracht und viel über die Kraft der Pflanzen gelernt. Denn Kneipp sah nicht nur im Wasser einen Segen, er schwor auch auf Salben, Tinkturen, Tees oder Säfte aus den Kräutern, die in der Gegend wachsen. Wir staunen, riechen und lauschen, was uns Rita Dopfer darüber zu erzählen weiss. Lavendel zur Beruhigung der Nerven, Johanniskraut gegen Schlafstörungen oder Salbei bei Regelschmerzen. Und wie Kneipp schwört auch Dopfer auf die Brennnessel: «Sie reinigt den Organismus total.»
Kurpark in Bad Wörishofen (Bild: Silvia Schaub).
Aber natürlich interessiert uns vor allem das Wasser oder vielmehr Kneipps Anwendungen. Über 120 sollen es sein. Nicht nur das bekannte Wassertreten, sondern auch Taulaufen, Güsse, Waschungen, Bäder oder Wickel. Auf das Wasser ist er übrigens in einer Selbsttherapie gestossen, als er in jungen Jahren an Tuberkulose erkrankte und sich mit eiskalten Bädern in der Donau wieder auf die Beine brachte.
Auf geht’s nach Bad Wörishofen, der Wirkungsstätte Kneipps. Wir checken in eines der hübschen Zimmer in der Kuroase im Kloster ein, wo die Minibar nicht Getränke und Snacks, sondern Kuschelbad, Duftkerze und Fussbutter nach Kneippschem Rezept enthält. Müde von der Zugreise ins Allgäu stehe ich alsbald vor der Tafel zum Aufgussraum und lese, was mir Sebastian Kneipp in einem solchen Fall rät: ein kaltes Armbad. «Es wirkt wie ein Espresso», erklärt mir die Dominikanerschwester Johanna, die gerade des Weges kommt. Ich mache mich auf den Weg ins Kneipp-Museum, das gleich um die Ecke liegt. Es zeigt eine Fülle von Objekten aus dem Leben des berühmten Pfarrers mit den buschigen Augenbrauen und dem Silberhaar. Ich schreite durch sein Wohn-, sein Schlaf-, sein Arbeitszimmer, bis ich im Flur mehr über seinen nicht immer einfachen Lebensweg erfahre. Als Bauernsohn war er auf Förderer angewiesen, damit er überhaupt das Gymnasium besuchen, geschweige denn studieren konnte. Und auch als er – anfangs als Beichtvater, dann als Pfarrer – in Bad Wörishofen seine Heilmethode verbreitete, stiess sie nicht überall auf Begeisterung.
Kneippen ist eine harte Sache, wie ich am nächsten Morgen erfahre. Der erste Eindruck war zwar ganz angenehm. Um sechs Uhr morgens wurde mir ein warmer, feuchter Heuwickel für den Nacken ins Zimmer gebracht. Nun aber stehe ich bei Meike Bufler im Aufgussraum. Erst spritzt sie mir die Waden vom kleinen Zeh her bis übers Knie und wieder hinunter mit noch angenehmen 36 Grad ab, dann folgt der kalte Guss mit 18 Grad. «Nur für ein paar Atemzüge», erklärt sie mir. «Das gibt dem Kreislauf einen Reiz.» Mehrmals wiederholt sie das Prozedere, und schon fühle ich mich tatsächlich richtig frisch. Nun bin ich gerüstet für eine Tour der Gästeführerin und Gesundheitstrainerin Karin Bendlin.
Das Wetter ist nass und kalt. Die Kneipp-Kennerin meint dazu lakonisch, das sei eben ein von höchster Stelle verordneter Guss. Sie führt mich durch die kleine Stadt, wo nichts ohne Kneipp zu gehen scheint. Zuerst geht’s zur Marienkapelle des Klosters, wo sich ein Pflanzenhimmel mit 60 von Kneipp verwendeten Heilpflanzen wölbt, und dann zum fast schon fast gigantischen Marmormausoleum auf dem Friedhof.
Neben Entspannung und Therapie werden die Gäste im Kurhaus mit Konzerten, Vorträgen und Wanderungen unterhalten. Das Publikum ist mehrheitlich weisshaarig. «Aber inzwischen kommen immer mehr jüngere Menschen», sagt Karin Bendlin. «Kneipp war schon zu seiner Zeit ein Anti-Aging-Guru – und heute erst recht.» Mich zieht es in den 163 000 Quadratmeter grossen Kurpark mit dem alten Baumbestand, den Rosen- und Aroma-Gärten, den Kneippanlagen und dem Barfussweg. Letzterer führt über 25 Stationen zu den Elementen der Kneipp’schen Lehre. Hier könnte man wunderbar verweilen und unterwegs immer wieder Neues entdecken, etwa das Freiluftinhalatorium oder den Edelsteinweg, die Glücksinsel oder den Kunstweg. Zuerst brauche ich aber einen Kneipp’schen Espresso, der mich wieder fit macht.
Eingang zum Kurpark mit Kneipp-Denkmal (Bild: Silvia Schaub).
Anreise
Ab Zürich mit dem Zug in rund 4 Stunden nach Bad Grönenbach und in 5 Stunden nach Bad Wörishofen.
Übernachten
Im Zentrum von Bad Wörishofen: das Kneipphotel Kuroase im Kloster mit geschmackvollen, einfachen Zimmern, kuroase-im-kloster.de. In Bad Grönenbach im Gesundheitsresort, Spa und Kneipp-Sanatorium Bad Clevers, badclevers.de, oder im ruhig gelegenen Vier-Sterne-Hotel Allgäu Resort, allgaeu-resort.de.
Essen
Leichte, kreative Küche im Restaurant Bad Clevers in Bad Grönenbach. In Bad Wörishofen biologische Küche in der Biooase oder Gourmetküche im Restaurant Calla im Hotel Steigenberger. Klassische regionale Küche sowie Mittelalterküche im Hotel Arthus/ Ritterkeller in Aulendorf.