La Punt ist die Ausgangsstation dieser einfachen Winterwanderung nach Samedan. Dabei passiert man nicht nur die revitalisierten Innauen, sondern gelangt auch zum kältesten Punkt im Engadin, beim Lej da Gravatscha.
Wir hätten es wissen müssen: Wenn das Tal bereits vom gleissenden Sonnenlicht durchflutet wird und dieses unglaubliche Blau am Himmel steht, dann liegt der Lej da Gravatscha bei Bever sicher noch im Schatten. Schon recht früh am Morgen haben wir uns in La Punt auf den Weg gemacht, sind bei der «Krone» rechts abgebogen und schnurgerade dem Inn entlang auf dem Winterwanderweg unterwegs, schön geschützt vom Damm und den Bäumen.
Der gut präparierte Winterwanderweg führt durch die Weite des Engadins (Claudine Sydler/SchweizMobil).
Einfach, eben und doch abwechslungsreich
Es ist eine unserer Lieblingswinterwanderungen, wenn wir uns in der Engadiner Höhe akklimatisieren wollen. Die Wanderung auf der SchweizMobil-Route Nr. 312 verläuft auf ebenem Weg, ist aber trotzdem abwechslungsreich. Und: Nirgends bekommt man die Weite des Tals so schön präsentiert. Auf der Höhe Champesch führt uns der Weg über eine Brücke, dann stapfen wir auf dem gut präparierten Weg über die Ebene dem Bächlein entlang Richtung Isellas, wo sich die Bernina Recycling befindet. Statt bei der Deponie dem manchmal viel befahrenen Strässchen zu folgen, führt uns der Weg wieder quer über die Ebene zurück zum Inn. Zum Glück, denn nun sehen wir den revitalisierten Inn-Abschnitt, der Ende 2020 abgeschlossen wurde.
Wild gestaltete Flusslandschaft
Wo seit den 1950er Jahren Dämme den Fluss kanalisierten, kann er nun wieder frei fliessen. Er nutzt das, breitet sich manchmal fast auf 210 Meter aus und gestaltet die Landschaft mit seinen Hoch- und Wildwassern immer wieder neu. Zu dieser Jahreszeit sehen wir die Flussuferläufer und Flussregenpfeifer sowie die seltenen Pflanzen natürlich nicht, die sich hier angesiedelt haben. Und leider auch nicht die Wasserspitzmaus, die im Winter mit kühnen Tauchgängen nach ihrem Futter sucht.
Eine Märchenwelt aus Eiskristallen (Bild: Silvia Schaub).
Und dann also holt uns der Schatten beim Lej da Gravatscha ein, dort wo auch der Beverin in den Inn fliesst. Die Kälte wird mit jedem Schritt greifbarer. Sie dringt unbeirrbar durch die dicke Jacke und lässt beim Atmen beinahe die Nase gefrieren. Dafür glitzern die Äste der Bäume mit den Eiskristallen umso schöner. Eine wahre Märchenwelt. Doch stehen bleiben mögen wir nicht, schliesslich sind wir nun am kältesten Ort des Engadins angelangt. Dieser ist nämlich nicht in Samedan, wo eine Messstation steht, sondern genau hier. Der Unterschied beträgt rund 3 Grad. Das klingt jetzt nicht nach viel, aber wenn es mal unter 20 Grad sind – was es im Winter schnell einmal sein kann – dann kommt es auf jedes Zehntelgrad an.
Am kältesten Punkt des Engadins: beim Lej da Gravatscha (Bild: Silvia Schaub).
Am tiefsten Punkt von Bever, wo sich die Kälte sammeln kann
Weshalb das so ist, hat uns der Meteorologe Alfred Riederer aus St. Moritz erklärt. Der See liegt am tiefsten Punkt der Gemeinde Bever in einer Mulde und wird vom dahinterliegenden Punt Gravatscha bis lange in den Tag hinein vor der Sonne geschützt. Deshalb könne sich hier die Kälte besonders gut sammeln. Zudem befindet sich an dieser Stelle auch eine Windkreuzung. Wenn in der Höhe eine Westströmung herrscht und mit dem Nordwind aus dem Val Bever zusammenstösst, dann drückt das die Temperaturen zusätzlich hinunter.
So schön es hier auch ist, nichts wie weiter! Schliesslich haben wir noch ein Stück Weg vor uns bis nach Samedan. Anders als im Sommer, wenn der Weg direkt am Gravatscha-See entlang geht, führt uns der Winterwanderweg zum Inn. Das hat den Vorteil, dass wir den Langläufern nicht in die Quere kommen, das meditative Plätschern des Inns geniessen – und auch nochmals in die Auenwelt eintauchen können. Denn schon bald sind wir beim Flughafen Samedan, wo man wieder dem alten Inn-Damm folgt und leider auch der Hauptstrasse. Weil der Weg aber etwas tiefer liegt, bekommen wir vom Lärm gar nicht einmal so viel mit. Und schon haben wir den Bahnhof in Samedan erreicht und nehmen noch kurz den Umweg ins Dorf, um uns im altehrwürdigen Hotel Bernina in der Lobby bei einem Tee etwas aufzuwärmen.
Anreise
Mit der RhB bis nach La Punt. Die Winterwanderung kann gut auch ab Samedan Bahnhof unternommen werden. www.rhb.ch
Unterkunft
In La Punt befindet sich gleich beim Start der Wanderung das 3-Sterne-Hotel Krone – Säumerei am Inn. www.krone-lapunt.ch. Auch Samedan bietet eine Handvoll Hotels in unterschiedlichen Kategorien. www.engadin.ch/de/samedan/
Die Tour
Die besprochene, gut zweistündige Tour ist ein signalisierter Winterwanderweg von SchweizMobil (Weg Nr. 312, www.schweizmobil.ch).
Infos
Infosüber die Innauen findet man unter www.innauen.ch. Weitere interessante Orte im Engadin entdeckt man im Buch «111 Orte im Engadin, die man gesehen haben muss» (Emons Verlag) von Silvia Schaub, erhältlich im Buchhandel.