Keiner kennt die Schlittelpisten der Alpen besser als Rolf Majcen. Der Österreicher sucht sich dazu die längsten und schönsten Strecken aus – und findet sie vor allem in der Schweiz.
Eigentlich würde es nicht viele Worte brauchen, wenn man bei schönstem Sonnenschein und perfekter Piste auf dem Schlitten die Big Pintenfritz hinunterbraust. Aber Rolf Majcen überbietet sich gerade mit Superlativen und strahlt wie ein Maienkäfer. «Absoluter Wahnsinn!», kommentiert er die mit 15 Kilometern längste Schlittelbahn der Welt vom Faulhorn hinunter nach Grindelwald. «Das grösste Erlebnis, das man im Alpenraum unternehmen kann. Und diese Bergwelt, ein absoluter Hochgenuss!».
Wenn das der Österreicher sagt, muss was dran sein. Denn er kennt schon bald sämtliche Schlittelpisten im Alpenraum – von den Dolomiten übers Tirol bis ins Berner Oberland. Und mittlerweile kennt man ihn unter dem Namen Alpenrodler. Alle Fahrten dokumentiert er nämlich mit einem Video und stellt diese auf Youtube.
Zum Schlitteln gekommen ist der leidenschaftliche Alpinist und Treppenläufer (seit 20 Jahren eilt er die höchsten Gebäude der Welt hinauf) eher zufällig und auch etwas aus der Not geboren. Er wollte seiner chinesischen Frau unbedingt die Schönheit der Berge zeigen. Da sie nicht Ski fährt, griff er zum Schlitten. Das war 2018. Inzwischen hat es den 57-Jährigen so richtig gepackt. Also besorgte er sich einen Lindauer Schlitten aus Eschenholz und steckte sich das Ziel, alle längsten und schönsten Schlittelpisten der Alpen abzufahren. Rund 60 Stück hat er bisher schon gemeistert.
Der Alpenrodler auf dem Eiger-Run vom Eigergletscher entlang der Eigernordwand nach Grindelwald (Bild RM).
Dabei geht es ihm nicht um den Temporausch, sondern darum die Landschaft mit allen Sinnen zu erleben. Und er gerät schon wieder ins Schwärmen, wenn er zum Beispiel von der Klewenalp-Strecke erzählt. «Sie hat ein schönes Gefälle und ist kurvenreich. Und einfach grandios, dieser Blick über den Vierwaldstättersee.» Oder von den Fideriser Heubergen, mit 12 Kilometern eine der längsten. «Die Schweizer haben einfach die tollsten Schlittelpisten!»
Schon die Auffahrt mit der Seil- oder Gondelbahn gehört für ihn zum Erlebnis. «Und wenn ich dann oben stehe, bin ich nur noch demütig, dass ich das erleben darf», sprudelt er weiter. Beim Schlitteln auf zwei Kufen könne man alles noch intensiver erleben, weil man viel näher am Schnee sei als beim Skifahren. «Der Körper nimmt alles auf, die Beschaffenheit des Schnees, manchmal ist er ganz sanft, dann wieder eisig. Und erst die Schneekristalle im Gesicht – einfach wow! Dann bin ich eins mit der Natur!» Es fasziniere ihn, wenn der Körper kilometerlang auf dem Schlitten die Feinarbeit des Bremsens, Beschleunigens und Steuerns leiste.
Posieren auf dem First: Schlittelfan Rolf Majcen (Bild RM).
Dabei liegen für Rolf Majcen die Berge nicht gleich um die Ecke. Wenn der studierte Jurist und mehrfache Teilnehmer der Patrouille des Glaciers jeweils von der Nähe von Wien aus mit seinem Auto losfährt, hat er sich einen genauen Plan für die nächsten Schlittelpisten zurechtgelegt. Dann ist er drei, vier Tage am Stück unterwegs und fährt gleich mehrere Strecken pro Tag ab, wie zum Beispiel im letzten Jahr die Eiger Grand Tour in Grindelwald mit fünf Etappen. «Aber nur bei schönem Wetter.» Meist übernachtet er in seinem Skoda Rapid, den er mit einer Schlafmöglichkeit umgerüstet hat. «Das gibt nochmals viel mehr Authentizität, als einfach im warmen Hotel einzuchecken.» So kann er auch schon als Erster bei der Bahn sein und als Letzter runterkommen. «Bei untergehender Sonne bekommt das Rodeln noch einmal eine ganz andere Dimension, etwa wenn im Tal unten bereits die ersten Lichter sichtbar werden.» Er weiss genau, zu welcher Tageszeit er welche Routen befahren muss: morgens die Osthänge, am Nachmittag die Westhänge. «Eisige Pisten mag ich nicht, weiche sind angenehmer.»
Mittlerweile ist Rolf Majcen so routiniert, dass er auch seine Tipps gerne weitergibt. Das A und O sei ein guter Schlitten, weil man dadurch weniger Aufmerksamkeit fürs Lenken brauche und dafür mehr Zeit für das Betrachten der Landschaft habe. Er rät zudem, sich für die Schuhe Bremskrallen mit kleinen Zacken zu besorgen. Gamaschen seien Gold wert, Handwärmer auch keine schlechte Idee und unbedingt einen Helm, wenn man schnell unterwegs sei. «Und eine Plastiktüte so verwenden, dass die Hose im Schritt trocken bleibt.»
Diesen Winter musste er sich allerdings etwas gedulden, weil zu wenig Schnee in den Tälern lag. Aber demnächst geht’s wieder in die Schweiz, diesmal ins Wallis, wo er noch ein paar weisse Flecken auf seiner Bucket List hat. «Lauchernalp und Eggishorn fehlen mir noch.»
Für Familien: Von Preda nach Bergün entlang der Rhätischen Bahn
Schon die Anfahrt mit der Rhätischen Bahn ist Teil dieses Erlebnisses. Während man mit dem Zug in Kehrtunnels und über Viadukte nach Preda hinauffährt, sieht man die Schlittler talwärts sausen. Die Strecke ist kurvenreich und mit schöner Aussicht in die umliegende Bergwelt sowie immer wieder auf den roten Zug, der sich berg- oder talwärts schlängelt. Da die Strecke auf der geschlossenen Passstrasse verläuft, hat er ein recht angenehmes Gefälle und ist auch für Familien mit Kindern gut geeignet. Start Preda Ziel Bergün Länge 6 Kilometer Höhenmeter 440 Meter Kondition leicht
Für Anfänger: Auf dem Fox Run entlang der Lauberhornabfahrt
Dieser Run ist ideal für Einsteiger, da er vor allem anfangs recht flach verläuft. Auch ein paar Gegensteigungen sind auf dem Weg von der Kleinen Scheidegg nach Wengen zu bewältigen. Der Vorteil: Man bleibt in Bewegung und friert nicht. Immer wieder kreuzt man die Bahn, entweder via Unterführungen oder auch mal über die Geleise. Der Fox Run ist eine gemütliche Strecke mit nur am Schluss ein paar scharfen Kurven, aber trotzdem nicht langweilig, weil er teilweise entlang der berühmten Lauberhornabfahrt führt.
Start Kleine Scheidegg
Ziel Wengen
Länge 6,8 Kilometer
Höhenmeter 787 Meter
Kondition Einfach
Für Naturliebhaber: Hoch über dem Vierwaldstättersee von der Klewenalp nach Emmetten
Diese Schlitteltour lohnt sich für alle Naturliebhaber. Sie hat ein schönes Gefälle, romantische Abschnitte durch Waldstücke, ist kurvenreich und gibt vor allem immer wieder wunderschöne Tiefblicke über den Vierwaldstättersee frei. Der Schlittelweg beginnt beim Röthenport und geht zuerst ins Ängital. Nach einer kleinen Gegensteigung fährt man ab Twäregg bis zur Stockhütte und dann weiter ins Tal nach Emmetten. Start Klewenalp Röthenport Ziel Emmetten Länge 9,8 Kilometer Höhenmeter 755 Meter Kondition einfach
Für Langstreckenschlittler: Fideriser Heuberge – Schlitteln ohne Gegenverkehr
Eine tolle Abfahrt, die man erst noch ohne Gegenverkehr erleben kann. Morgens zwischen 9 und 13 Uhr fährt man mit dem Kleinbus bis hinauf zu den Berghäusern Arflina und Heuberg, geniesst erst einmal die eindrückliche Landschaft. Zwischen 14.30 und 16 Uhr gehört die kurvenreiche Strecke hinunter nach Fideris Dorf dann ganz den Schlittlern. Da braucht es etwas Ausdauer, denn die Strecke ist mit 12 Kilometern eine der längsten in der Schweiz. Start Fideriser Heuberge Ziel Fideris Länge 12 Kilometer Höhenmeter 1100 Meter Kondition mittel