Von Männedorf nach Maggia – vor zehn Jahren hat Monika Gmür ihr Leben umgekrempelt und ihren Traum von einem Kleinhotel erfüllt.
So mancher Gastgeber wäre in einem solchen Moment ins Rotieren gekommen. Doch Monika Gmür lächelt den Supergau einfach weg. Als wir an einem kalten, regnerischen Frühsommertag in ihrer Casa Martinelli in Maggia ankommen, erklärt sie uns, dass gerade der Warmwasser-Boiler ausgestiegen sei und auch die Heizung nicht funktioniere. «Kommt alles gut, morgen werden Sie wieder warm duschen können», meint sie ganz ruhig.
Die 68-jährige Zürcherin aus Männedorf mit dem grauen Lockenkopf hat während der letzten zehn Jahre schon ganz andere Herausforderungen bewältigt. Etwas blauäugig habe sie sich schon in dieses Abenteuer gestürzt, gibt sie zu. 2008 kaufte sie in Maggia das halbverfallene Gebäude aus dem 17. Jahrhundert, das einst Zollhaus und Herberge, später Schule und Alters- und Pflegeheim war, und hatte die Idee, darin eine Kleinhotel zu realisieren. Bis es so weit war, vergingen erst einmal vier Jahre Bauzeit. Der Weg war oft holprig und mit vielen Geschichten gepflastert, die sie bei einem Glas Merlot zum Besten gibt. «Es brauchte schon Mut und vor allem Ausdauer, dieses Projekt umzusetzen», sagt die Gastgeberin, die zwar keine Hotelausbildung mitbrachte, dafür aber viel Optimismus. Natürlich sei sie anfangs belächelt worden von den Dorfbewohnern, heute zollt man ihr Respekt. «Ich bringe schliesslich mit jährlich über 3500 Übernachtungen auch Geld ins Dorf, die Gäste verpflegen sich in den umliegenden Restaurants.»
Zwei Frauen, die am gleichen Strick ziehen: Mutter Monika Gmür und Tochter Claudia Herzog (Bild Casa Martinelli).
Ein Glücksfall war die Begegnung mit dem bekannten Architekt Luigi Snozzi. Er verstand es, das alte Tessiner Haus mit viel Sorgfalt zu renovieren und mit einem topmodernen Anbau aus Beton zu ergänzen. «Snozzi hat immer an mich und mein Projekt geglaubt.» Und so sind heute im alten Herrenhaus die Reception, der Frühstücksraum mit hübschen Fresken, eine Bibliothek und zwei Einzelzimmer untergebracht. Im ehemaligen Pferdestall befindet sich ein Weinkeller und die «Cantina». Genächtigt wird in einem der acht modernen Doppelzimmer im puristischen Neubau – die Böden aus geölter Eiche, die Lavabos aus Vulkangestein, die Tische aus alten Dachbalken aus Kastanienholz. «Viele Gäste kommen noch heute speziell wegen dem Snozzi-Bau zu uns.»
Aber auch wegen der herzlichen Gastfreundschaft der Besitzerin. Man spürt, dass Monika Gmür und ihr Team den Job mit Leidenschaft ausüben. «Für mich ist es noch immer ein Traumjob, vielleicht auch eine Berufung, weil es jeden Tag und mit jedem Gast spannende Geschichten gibt.» Das Frühstücksbuffet mit frischem Brot aus der Dorfbäckerei, lokalem Käse und selbstgemachter Konfitüre sowie Birchermüesli ist liebevoll angerichtet. Wer tagsüber eine Stärkung braucht, bedient sich in der «Cantina» mit Salametti, Parmesan, Brot, Oliven und einer Flasche Tessiner Wein – und bezahlt bei der Abreise das Konsumierte. Wann immer Monika Gmür Zeit findet, setzt sie sich gerne zu den Gästen an eines der Tischchen unter dem Feigenbaum oder den Rosenranken, erzählt aus ihrem Leben oder gibt Tipps für die Wanderung am nächsten Tag.
Die hübschen Nischen im weitläufigen Park verlocken zum Ausspannen (Bild Silvia Schaub).
Inzwischen betreibt Monika Gmür ihr kleines Boutique-Hotel seit genau zehn Jahren. Das erfüllt sie mit Freude und Stolz. «Ich habe so manchen Fehler gemacht, den Schritt aber nie bereut, auch wenn ich anfangs finanziell kaum über die Runden kam», erzählt sie. Heute kann sie längst auf eine grosse Stammkundschaft zählen, viele reisen aus der Deutschschweiz an. Auch prominente Gäste finden den Weg in die ruhig gelegene Casa Martinelli, die ideal für Ausflüge ins Maggiatal oder zum nur ein paar Gehminuten entfernten Cascata del Salto liegt. Nicht allein, weil sie Musikern wie Status Quo, Joan Armatrading oder Philipp Fankhauser während des Magic Blues-Festivals im Tal Unterkunft bietet. Zuweilen sei sie auch einfach frech, meint sie mit ihrem ansteckenden Lachen. Zum Beispiel als sie Bundesrat Alain Berset anschrieb, ob er für seinen Auftritt zum Jubiläum der Botta-Kirche in Mogno nicht bei ihr übernachten wolle. Tatsächlich meldete sich seine Kanzlei und fragte nach einem Zimmer. «Glücklicherweise hatte ich so kurzfristig noch ein Zimmer frei.» Als ehemalige SP-Politikerin habe sie dieser Besuch riesig gefreut.
Ihre Leidenschaft fürs Tessins kommt nicht von ungefähr. Als Kind verbrachte sie oft mit ihrer Familie Ferien in der Südschweiz. Sie ist die Tochter von Hans Gmür, dem legendären Autor, Regisseur und Produzenten von Musicals, Theater- und Cabaretstücken. 1978 schrieb er das Musical «Ciao Ticino», das in einer kleinen «Pensione» in der Vallemaggia spielt. Elisabeth Schnell war damals die Wirtin. Heute ist es seine Tochter. «Er hätte wohl seine Freude», ist sie überzeugt. Die gemütliche Casa Martinelli mit dem 5000 Quadratmeter grossen Park und den vielen lauschigen Plätzchen wäre zweifellos die perfekte Kulisse dazu gewesen.