Schlendern, rasten und wahrnehmen: Der Wald als Kraftquelle wird gerade neu definiert. Shinrin-yoku, ein Trend aus Japan, soll helfen, Energie zu tanken, Stress abzubauen und das Immunsystem zu stärken.
Ein feines Lüftchen weht durch den lichten Flimserwald und bringt die Bäume zum Schwingen. Bedächtig setzen wir die nackten Füsse auf den weichen Boden und folgen Sandra Schmidt Schritt für Schritt, schweigend. «Lasst alles Mühsame mit dem Wasser weiterziehen», fordert sie uns auf, als wir dem Conn Bächli entlang wandeln. Eile und Action sind nicht angesagt, dafür Ruhe und Entspanntheit empfohlen. Denn wir praktizieren gerade den neuesten Trend im Wellness-Bereich: Waldbaden. Der Wald war schon immer ein Sehnsuchtsort, der den Menschen guttat. Also suchen wir ihn auf, um zu joggen oder walken, um Beeren oder Pilze zu sammeln. «Der Wald ist nicht einfach ein Raum, wo man aktiv die Freizeit verbringt, sondern er ist auch Hauptakteur – und wir ein Teil von ihm», betont Sandra Schmidt. Sie ist Direktorin des «Romantik» Hotels Schweizerhof in Flims Waldhaus und bietet seit mehr als zwei Jahren einmal wöchentlich geführte Waldspaziergänge an. «Es geht um ein achtsames, absichtsloses Eintauchen in die Waldatmosphäre.»
Das Rauschen des Bächleins ist ebenso beruhigend (Bild: Silvia Schaub).
Waldbaden hat seinen Ursprung in Japan, wo das Shinrinyoku (= Baden in der Atmosphäre des Waldes) seit Anfang der 1980er-Jahre eine anerkannte Heilmethode ist. In der Schweiz wird das Thema neben Flims Waldhaus im Aletschwald im Wallis oder im Naturpark Gantrisch angeboten. Hier führt Carmen Bezençon, Entspannungund Mentaltrainerin aus Thun, von Mai bis November jeden ersten Samstagvormittag im Monat Waldbaden im Gurnigelwald durch. Was unterscheidet das Waldbaden vom Spazieren im Wald? «Durch gezielte Techniken können wir tiefer entspannen und so mit der Natur in einen energetischen Austausch kommen», erklärt Carmen Bezençon. Die Natur steuert ihren Teil dazu bei mit sogenannten Terpenen. Das sind Moleküle, die von den Bäumen abgesondert werden und unser Immunsystem beeinflussen sollen. Sie helfen, Abwehrkräfte gegen Krankheiten aufzubauen, Puls und Blutdruck zu senken und den Stressabbau zu fördern.
Deshalb ermuntert uns Hoteldirektorin Sandra Schmidt immer wieder, konzentriert innezuhalten und dabei bewusst ein- und auszuatmen. Inzwischen stehen wir einsam in einer Lichtung inmitten von Farn, Moos und Wurzelstöcken, während ein paar hundert Meter entfernt die Touristen in Scharen zum Cauma-See pilgern. Wir lauschen dem Rauschen der Blätter, betrachten die Rinde einer Föhre, nehmen die grüne Atmosphäre mit allen Sinnen auf. «Doktor Wald» hat uns innert Kürze entschleunigt und zeigt, dass «sich Zeit lassen» keine Zeitverschwendung ist.
Waldbaden
Aargau: www.soulness.ch
Basel: www.draussenunterwegs.ch
Bern: www.waldbaden-gantrisch.ch, www. schweiz-in-stille.ch
Graubünden: www.schweizerhof-flims.ch, www. laudinella.ch, www.saratz.ch
Luzern: www.gruenfink.ch, Wallis: www.