Die Jungfrau Region lockt nicht nur zum Skifahren, sie lässt sich auch gut auf dem Schlitten erleben
Plötzlich war sie da, diese verflixte Bodenwelle im Hagmättliwald. Alles Bremsen nützte nichts. Der Schlitten kam ins Schlingern – und plumps lagen wir im Schnee. Zum Glück hatte es wenige Tage zuvor noch geschneit, so dass sich die Landung wie der Fall in Zuckerwatte anfühlte. Dabei hatten wir doch vorher ständig die Schuhe in den Schnee gepresst, damit die Fahrt auf dem Fox Run von der Kleinen Scheidegg nach Wengen nicht zum Hochrisiko ausarten würde.
Bei der Kleinen Scheidegg, wo wir im Sport-Geschäft den Alu-Rodelschlitten mit lenkbaren Kufen gefasst hatten, war das noch nicht nötig. Im Gegenteil, hier verläuft die Schlittelpiste noch ziemlich flach. Ein paar Gegensteigungen nötigten uns gar, vom Schlitten aufzustehen und ihn hinaufzuziehen. Der Vorteil daran: Man bleibt immer in Bewegung und friert nicht. Das lernt man zu schätzen, liegt doch der obere Teil des Runs morgens noch im Schatten. Die Schlittelpiste – und gleichzeitig auch Winterwanderweg (Achtung Spaziergänger!) – verläuft stets zwischen Skipiste und Wengernalp-Bahnlinie. Immer wieder kreuzt man die Bahn, entweder via Unterführungen oder auch mal über die Geleise.
Mit vollem Tempo auf dem Fox-Run Richtung Wengen (Bild: Silvia Schaub).
Kurz nach der Wengernalp dann blinzelt endlich die Sonne hervor. Da macht das Schlitteln gleich noch mehr Spass. Denn inzwischen ist die anfängliche Zurückhaltung etwas verflogen, der Temporausch beflügelt. Kein Wunder fühlt man sich fast wie Beat Feuz und Co., führt doch der Fox Run teilweise direkt neben der Lauberhornabfahrt vorbei. Nun wird die Strecke auch anspruchsvoller und abwechslungsreicher. Also gilt es die klügste Linienführung zu wählen, um den Schwung am besten auszunützen.
Am Morgen noch sassen wir mitten in der grauen Suppe. Aus dem Mittelland ist man dank dem neuen Eiger Express, dem 470 Millionen teuren Jahrhundert-Projekt, ab Grindelwald Terminal noch schneller mitten im Jungfrau-Gebiet. Topmodern zeigt sich die neue, im Dezember eröffnete Talstation, die man in wenigen Schritten über eine Passerelle von der Haltestelle der Berner Oberland-Bahn oder dem Parkhaus erreicht. Wer keine Eile hat, kann hier in den zahlreichen Shops und Restaurants noch etwas verweilen, bevor es mit dem Eiger Express in die Höhe geht. Wartezeiten gibt es trotz Corona-Einschränkungen bei den Drehkreuzen kaum. Das Personal achtet genau darauf, dass nur je 10 Personen in die anthrazitfarbenen Kabinen steigen, obwohl sie für mehr als doppelt so viele Platz bieten würden. Ganz Corona-konform hat man so auch genügend Abstand in den Gondeln. Bisher dauerte die Fahrt zum Eigergletscher mit der Zahnradbahn gut eine Stunde, nun schwebt man in der modernsten Dreiseilumlaufbahn der Schweiz in nur 15 Minuten hinauf – stets die Eigernordwand im Blickfeld. So nah kommt man ihr sonst nie, ausser man wandert auf dem Eiger Walk oder wagt sich mit den Steigeisen in die Wand.
Manchmal muss man den Schlitten bei einer Gegensteigung auch ein Stück ziehen (Bild: Jungfrauregion).
Dort, wo im Sommer noch eine Riesenbaustelle war, steht nun am Eigergletscher die neue Bergstation. Während die Skifahrer eilig ihre Bretter montieren und sich auf die Piste stürzen, geniessen wir noch einen Moment die Aussicht auf den Gletscher und hinüber nach Mürren, bevor uns die Jungfraubahn hinunter auf die Kleine Scheidegg bringt. Dank dem Jungfrau Corona Winter Pass können Winterwanderer und Schlittler unlimitiert auf den Bahnen fahren, sogar aufs Jungfraujoch-Top of Europe hinauf. An diesem herrlichen Wintertag tummeln sich neben Skifahrern denn auch zahlreiche dieser Spezies. Schliesslich bietet die Region Grindelwald-Wengen nicht nur Pisten für alle Niveaus, sondern auch über 100 Kilometer Winterwanderwege. Das Gebiet gilt vor allem als Schlittel- und Rodel-Mekka erster Güte. Über 50 Kilometer Schlittelvergnügen wird auf mehr als einem halben Dutzend, bestens präparierten Wegen geboten. Darunter die längste Schlittelbahn Europas, der «Big Pintenfritz», der vom Faulhorn auf einer Länge von 15 Kilometern hinunter nach Grindelwald führt. Beliebt sind auch der Eiger Run oder die Strecke vom Männlichen nach Grindelwald.
Wer es lieber etwas bequemer und weniger abenteuerlich mag, wählt wie wir den Klassiker Fox Run. Ganz ohne ist aber auch diese Piste nicht, wie uns der Zwischenfall im Hagmättliwald zeigte. Es sind auf der Strecke auch Gleiterqualitäten gefragt. Nach der Allmend jedenfalls schaffen wir die nächste Gegensteigung nicht und müssen den Schlitten wieder ein Stück ziehen. Ob es die starke Sonneneinstrahlung ist, die die Piste weicher und langsamer gemacht hat? Oder lag es an der Wahl des Schlittens? Beim nächsten Mal versuchen wir es vielleicht mit einem Velogemel, diesem typischen, originellen Schneefahrrad aus Grindelwald. Der sportliche Herr, der uns kurz vor Wengen überholte, machte darauf jedenfalls eine gute Falle und war zügig unterwegs.
Schneespass mit dem Jungfrau Corona Winter Pass
Für Winterwanderer und Schlittler gibt es diese Saison den Jungfrau Corona Winter Pass (bis 30. April) mit unlimitierten Fahrten auf den Transportbahnen in der Jungfrau Ski Region inkl. Jungfraujoch-Top of Europe. Die 3-Tageskarte kostet für eine erwachsene Person Fr. 219.- (Fr. 169.- mit Halbtax-Abo oder GA), für Kinder (6-15 Jahre) Fr. 30.-, www.jungfrau.ch/winterpass. Die Tageskarte für den Wander- und Schlittelspass Pass (ohne Jungfraujoch-Top of Europe) beträgt Fr. 58.- (Erwachsene) bzw. Fr. 30.- (Kinder), www.jungfrau.ch/schlittelpass. Weitere Infos: www.jungfrauregion.ch
Im Schlittel & Rodelführer Schweiz von Franz Hofmann (Werdverlag.ch) sind sämtliche Schlittelrouten im Jungfrau-Gebiet (und der ganzen Schweiz) genau beschrieben. Dazu gibt es Tipps für Verhaltensregeln, die Wahl des richtigen Schlittens und die Ausrüstung.