Bodensee und Blumen verbindet man fast automatisch mit der Insel Mainau. Doch die Bodenseeregion hat weit mehr zu bieten: Vom Schlosspark über Heilkräuter- bis zu Bauerngärten reihen sich bezaubernde Grünoasen wie eine Perlenkette um den See.
Der Kreuzgang im Klostergarten Reichenau besteht aus Spalierlinden (Bild: Silvia Schaub).
Da mag sich England mit Garten-Ikonen wie Beth Chatto oder Vita Sackville-West noch so gerne als Königreich der Gärten bezeichnen. Die Region um den Bodensee aber darf zweifellos für sich in Anspruch nehmen, die Wiege der Gartenbaugeschichte Europas zu sein. Das lässt sich insbesondere mit einer Person in Verbindung bringen. Knapp 1200 Jahre ist es her, als der Reichenauer Mönch Walahfrid Strabo sein Büchlein «Hortulus – über die Pflege von Gärten» schrieb und damit sozusagen den ersten Gartenratgeber veröffentlichte. Darin beschrieb er in 24 Versen nicht nur 24 Heilpflanzen, sondern auch, wie man einen Garten anzulegen hatte. Sein Wissen floss auch in den Klosterplan von St. Gallen ein und wird noch heute immer wieder zu Rate gezogen.
Doch da ist auch das milde Klima der Bodenseeregion, das ebenso seinen Teil dazu beiträgt, dass über die Jahrhunderte viele Gartenparadiese entstehen konnten. Die Vielfalt ist riesig und reicht von den Barockgärten auf Schloss Meersburg mit ihren strengen Formen über das Erlebniszentrum für Naturheilkunde von Dr. Alfred Vogel in Roggwil bis zum biologisch-dynamischen ProSpecieRara-Sortengarten auf Schloss Wartegg am Rorschacherberg. Sie alle sind Mitglied beim Verein Bodenseegärten, das vor 10 Jahren gegründet wurde und mittlerweile 48 Gärten und Parks in allen vier Ländern rund um den Bodensee vereint. «Damit sollen die Gärten nach aussen noch bekannter gemacht werden», betont Geschäftsführerin Monika Grünenfelder. Aber auch der Austausch unter den verschiedenen Gärten sei wichtig.
Wieso also nicht beim nächsten Ausflug an den Bodensee einige dieser Gärten besuchen? Schliesslich bringt der Blick in fremde Gärten einige Vorteile: Man braucht keinen grünen Daumen, kann vor allem staunen, was die Natur alles möglich macht und im besten Fall noch ein paar neue Gestaltungsinspirationen nach Hause nehmen.
Der Klostergarten in Reichenau wurde speziell für das 1300-Jahr-Jubiläum neu angelegt (Bild: Silvia Schaub):
Kreuzgang aus Spalierlinden und Hortuli
Freude herrscht auf der Insel Reichenau in diesem Jahr. 2024 feiert die UNESCO-Welterbeinsel ihre 1300-jährige Klostergeschichte. Aus diesem Grund wurden die Klostergärten neugestaltet. Sie wurzeln in den mittelalterlichen Quellen zur Gartenkultur des Klosters und schlagen den Bogen in die Gegenwart. Innerhalb der alten Klostermauern sticht zuerst der Kreuzgarten ins Auge, der mit Spalierlinden den ehemaligen Kreuzgang nachahmt. Vorbei am üppigen blaurotgoldenen Staudenfeld, das die Farben der Fenster im Münsterchor aufgreift, gelangt man zu den Hortuli (Gärten) mit dem Kräutergarten. Und da kommt Mönch Walahfrid Strabo ins Spiel. Hier gedeihen in den Beeten die 24 Pflanzen, die er in seinem «Hortulus» beschrieb. Daneben kann man sich im Schatten der Maulbeerbäume ausruhen oder den Bereich des früheren Friedhofs mit dem Obstgarten bestaunen.
Ein Rosa-Traum auf dem Hügel über dem Bodensee: das Schlösschen Freudental und der Park (Bild: Silvia Schaub).
Ein rosaroter Traum mit Park
Wen wunderts, dass das schmucke Schlösschen Freudental auf dem Bodanrück in Allensbach besonders beliebt für Hochzeiten und Feste ist. Hier lässt sich der Traum «einmal Prinzessin oder Prinz sein» perfekt erfüllen. Das rosarote Barockschloss aus dem Jahr 1699 gehört dem Schweizer Master of Wine Philipp Schwander und wurde aufwendig restauriert. Die Säle mit barocken Stuckdecken und prächtigen Deckenfresken, die Hotelzimmer mit viel Gespür für die Geschichte modernisiert, und überall entdeckt man Kunstobjekte. Bei gutem Wetter sieht man den Säntis und bis in die Berner Alpen und kann im kleinen Landschaftspark lustwandeln, sich zwischen den riesigen Tuja-Hecken, die den Rasen einzäunen, niederlassen, im kleinen Pavillon den Weitblick oder unter der mächtigen, 300-jährigen Linde vor dem Schloss den Sonnenuntergang geniessen.
Der Gartenpfad Osterfingen offenbart so manches Garten-Bijoux (Bild: Silvia Schaub).
Gepflegte Wildnis oder Genussgarten
Der Blick in fremde Gärten ist in Osterfingen absolut erwünscht, das Betreten allerdings nur auf vorherige Anfrage. Ganz am Rand der Schweiz gelegen ist der Ort im Klettgau nur über eine einzige Strasse erreichbar, die auch hier endet. Entlang der Dorfstrasse reihen sich mehr als zwei Dutzend Gärten auf, die sich im Gartenpfad Osterfingen organisiert haben. Ein hübsches Bild, diese gepflegten Zier- und Nutzgärten, und auch ein Stück gelebte bäuerliche Gartenkultur. Auch wenn gewisse Pflanzen in den Gärten immer wieder auftauchen, so zeigt doch jeder seine ganz eigene Handschrift. Da gibt es zum Beispiel die gepflegte Wildnis in Barbara Linsis Garten. Bei ihr dürfe alles wachsen, was nicht störe. So auch die Rambler-Rose, die sich um einen Quittenbaum rankt. Regula Stoll hat hinter ihrem Haus die Wiese über die Jahre in einen Genussgarten verwandelt, mit kleinen Staudenbeetinseln und lauschigen Plätzchen unter den Obstbäumen. Der Umweg ins Klettgau lohnt sich unbedingt.
Wieder fast in seinem Originalzustand zu betrachten: der Park Arenenberg in Salenstein (Bild: Bodenseegärten).
Zwischen Hell und Dunkel, Wasser und Wald
Steht man oben auf Schloss Arenenberg kann man kaum glauben, dass das Parkparadies hinunter zum See einst mit Aushubmaterial zugeschüttet war. Zum Glück wurde ab 2004 der Park wieder in seinen Originalzustand zurückgebaut. Dieser geht zurück auf Hortense de Beauharnais-Bonaparte, Schwägerin von Napoleon I. und Mutter von Napoleon III., die im 19. Jahrhundert das Anwesen kaufte und den Park vom französischen Gartenarchitekten Louis-Martin Berthault mit Grottenberg, Eremitage, Wasserfall und Pavillon erbauen liess. Das Wechselspiel zwischen Hell und Dunkel, Wasser und Wald sowie die Sichtachsen nach Konstanz und Paris versetzen einen beim Begehen des Parks in die Zeit von Hortense. Seit letztem Jahr ist auch die letzte Restaurierungsetappe abgeschlossen, so dass man von der Avenue d’Ermatingen zur Prinzenbrücke, durchs Tobel mit den Wasserfällen und wieder zurück über die Serpentine lustwandeln kann.
Bischofszell macht seinem Ruf als Rosenstadt alle Ehre. Hier findet man wunderbare Rosengärten (Bild: Bodenseegärten).
Rosenduft in allen Gassen
In Bischofszell stolpert man sozusagen von Rose zu Rose. Gleich sieben Rosengärten gibt es, die öffentlich zugänglich sind, und noch viel mehr private Gärten, die der Blumenkönigin huldigen. Schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts soll das schmucke Städtchen eine Rosenstadt gewesen sein, erst recht aber seit der Gründung der Bischofszeller Rosen- und Kulturwoche im Jahr 2000. Sie findet alle zwei Jahre statt (die nächste vom 20.-28. Juni 2026). Doch bis dahin muss man nicht warten. In und um die Altstadt lässt sich schön flanieren, etwa im Barocken Rosengarten, im Rosengarten Känzeli oder im Frauenrosengarten Lindenbänkli mit Rosen, die alle einen Frauennamen tragen.
www.bischofszell.ch, www.bischofszellerrosenwoche.ch
Der neue Klostergarten in St. Gallen setzt auf Heil- und Kräuterpflanzen (Bild: Silvia Schaub).
Ruheoase hinter dem Kloster
Ein Kloster ohne Klostergarten? Geht gar nicht! Nicht zuletzt dank Christian Hänni und Remo Vetter bekam das Kloster St. Gallen nach 200 Jahren wieder einen Klostergarten. Der liegt zwar nicht im Klostergeviert, sondern etwas versteckt zwischen dem Eingang zum Pfalzkeller und dem Regierungsgebäude. Christian Hänni ist Landschaftsarchitekt und hat im vergangenen Jahr den Garten mit dem Gartenfachmann Remo Vetter angelegt. Vierzig Hochbeete zeigen um die Hundert verschiedene Kräuter- und Heilpflanzen: von Achillea millefolium (Wiesen-Schafgarbe) bis zu Vicia faba (Saubohne). Sie sind gruppiert in historische Heilkräuter, Bienen- und Insektennährpflanzen und zeitgenössische Heilkräuter. Mittendrin darf auch Walahfrieds Gärtlein mit seinen Heilkräutern nicht fehlen.
Duftender Garten bei Ceres in Kesswil (Bild: Bodenseegärten).
Duftende Kräuterwelt im Innenhof
Der Thurgau wird nicht nur Mostindien wegen der vielen Apfelbäume genannt, sondern auch Phyto Valley. Hier haben sich über die Jahre viele Naturheilmedizin-Betriebe angesiedelt, wie etwa die Vita Plant AG in Uttwil oder Dr. A. Vogel in Roggwil. Sie alle haben kleine Gärten mit Arznei- und Heilmittelpflanzen angelegt. So auch die Ceres Heilmittel AG in Kesswil, die für ihre Urtinkturen bekannt ist. Es duftet herrlich im kleinen, aber feinen Garten mit Wolfstrapp, Mariendistel, Salbei, Wermut und Rosmarin, der inmitten des Gebäudekomplexes in einem Innenhof angebaut wurde.
Wo die Schriftstellerin Annette von Droste-Hülshoff ihren Frieden fand, werden auch Gartenliebhaber Freude haben (Bild: Bodenseegärten).
Weitblick über den Weinstöcken
Auf einer kleinen Anhöhe über der Meersburger Altstadt thront das Fürstenhäusle inmitten von Weinstöcken. Die berühmte Dichterin Annette von Droste-Hülshoff war ganz angetan von diesem um 1600 erbauten Rebhäuschen und kaufte es, um sich hier einen schöpferischen Rückzugsort einzurichten. Sie dürfte oft im Garten und auf der Terrasse gesessen haben, um den Blick auf die nahen Rebberge und die Meersburger Oberstadt mit der barocken Residenz bis hin zu den Gipfeln der Alpenkette zu geniessen. Nebst dem Museum zu Ehren der Dichterin kann man den Garten auch heute noch besuchen – und gerät wie sie ins Schwärmen.
Die Reise wurde unterstützt vom Verein Bodenseegärten.
Der Verein Bodenseegärten führt verschiedene Veranstaltungen durch, u.a. die «Lange Nacht der Bodenseegärten» vom 6. bis 8. September, www.bodenseegaerten.eu